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Pastor Georg Kleine, der ab 1841 die Erziehung seines damals neunjährigen Neffen übernahm, war passionierter Imker. Es ist also kein Wunder, dass sich auch Wilhelm Busch intensiv mit den Bienen beschäftigte. Bei einem längeren Aufenthalt bei seinem Onkel im Jahre 1853 fasste er sogar den Entschluss, als Bienenzüchter nach Brasilien (dem Dorado der Imkerei) auszuwandern. Zum Glück setzte er diesen Plan nie in die Tat um, sonst wären all die berühmten Bildergeschchten wie "Max und Moritz" und "Die fromme Helene" nie entstanden.
In seiner Autobiographie "Von mir über mich" schreibt Wilhelm Busch dazu: Von Wiedensahl aus besucht' ich auf längere Zeit den Onkel in Lüethorst. Ein Liebhabertheater im benachbarten Städtchen zog mich in den angenehmen Kreis seiner Tätigkeit; aber ernsthafter fesselte mich das wundersame Leben des Bienenvolkes. Es hatte sich grad um einen Grundsatz der Wissenschaft, nämlich, daß nur aus einem befruchteten Ei ein lebendes Wesen entstehen könne, ein Streit erhoben. Ein schlichter katholischer Geistlicher wies nach, daß die Bienen eine Ausnahme machten. Mein Onkel als gewandter Schriftsteller und guter Beobachter ergriff seine Partei und beteiligte sich lebhaft an dem Kampfe. Der Wunsch und Plan, nach Brasilien auszuwandern, dem Dorado der Imker, hat sich nicht verwirklichen sollen. Die Annahme, daß ich überhaupt praktischer Bienenzüchter geworden, ist freundlicher Irrtum. Von Wilhelm Buschs Betrachtungen über die Bienen sind uns zwei Artikel im "Bienenwirtschaftlichen Centralblatt" erhalten, dessen Herausgeber der "Bienenonkel" Georg Kleine seit 1865 war. Zum Thema "Parthenogenesis bei den Bienen" schreibt Busch übrigens auch in einem Brief an Maria Anderson (Juli 1875). |
Kennen die Bienen ihren Herrn?(Mai 1867) Jeder von uns, der das Glück gehabt hat, seine Kinder- und Jugendjahre im wahren, innigen Verkehr mit der freien Natur zu verleben, sei er nun auf dem Lande erzogen, oder nur zeitweilig hinausgewandert aus der staubigen Stadt, durch Wiesen und Felder, unter die schattigen Obstbäume des Dorfes, jeder von uns, denke ich, wird sich aus der Szenerie jener Tage einer eigentümlich interessanten Gestalt erinnern - der Gestalt des sogenannten Bienenvaters. Mit heiterem Staunen und lächelnder Bewunderung sehen wir einen schon bejahrten Mann in Zipfelkappe, kurzer blauer Jacke, schwarzen Kniehosen, blauen Strümpfen und Lederpantoffeln, die kurze Pfeife im Munde, an einem heimlichen Gartenplätzchen unter flüsternden Blütenbäumen, abgeschlossen, still und für sich, inmitten der sumsenden Bienen, vor seinen Körben stehen. Wir kennen die Bienen zu jener Zeit nur aus hübschen Gedichten, Gleichnissen und ernsten Warnungen; wir sehen sie in Garten und Wiese an den Blüten baumeln; aber nur mit scheuem Blick und aus respektvoller Ferne wagen wir auf den Bienenstand eines Imkers zu schauen. Wir können nicht umhin, dem kühnen Manne, der sich so ungescheut den augenscheinlichsten Gefahren aussetzt, unsere aufrichtige Bewunderung zu zollen. »Kennen denn die Bienen ihren Herrn?« pflegten wir dann wohl zu fragen. - »Gewiß!« - lautete die Antwort - »die Bienen werden ja doch ihren Vater kennen. Ja, so treu und anhänglich sind sie, daß, wenn der Bienenvater stirbt, auch sie gar bald dahinsiechen und sterben.« Dieses Bild der Bienen werden wohl die meisten Menschen, die keine Veranlassung haben, sich näher darüber zu unterrichten, aus ihrer Jugendzeit auch in die späteren Jahre mit hinübernehmen. Frühlingsblume in Garten und Wiese - der süße Geruch des Honigs - warmer Sonnenschein und heimliches Summen - Honigkuchen und Pfeffernüsse - - eine dunkle Ahnung von merkwürdigem Haushalte und wunderbar weiser Einrichtung der Natur - - vor allen Dingen aber ein Heer geschwollener Nasen und roter Ohren - kurz, ein Gemisch von unbestimmter Bewunderung und heimlichem Grauen - das ungefähr werden die Bilder und Gefühle sein, welche vor der Phantasie und im Herzen des Laien auftauchen, wenn von Bienen die Rede ist. - Auch hier wird man uns gar häufig mit der Frage begegnen: »Nicht wahr, die Bienen kennen ja wohl ihren Herrn?« Da will ich nun im voraus alle gefühlvollen Seelen um Entschuldigung gebeten haben, wenn ich hier gegen jenes schöne Luftschloß der Poesie einen Angriff unternehmen, wenn ich jene zärtlichen Gefühle den Bienen absprechen und die Frage »Kennen die Bienen ihren Herrn?« mit einem rauhen, prosaischen Nein! beantworten muß. Auch brauche ich wohl nicht zu bemerken, daß diese Antwort nur dem Laien und angehenden Apistiker, nicht aber dem erfahrenen Bienenfreunde und Beobachter gelten kann, denn der würde jene Frage nicht stellen, weil er sie längst selbst beantwortet hat. Bei der Begründung meiner Antwort gedenke ich nun die Königin nebst den Drohnen sehr kurz abzufertigen und gleich von vornherein auszuschließen. Was die Drohnen anbelangt, so lungern sie entweder zu Hause bei den Honigtöpfen herum oder gehen als muntere Freier auf galante Abenteuer aus. Die Liebe aber ist teilnahmlos, außer in einem Punkte; den geliebten Gegenstand ausgenommen, will sie niemanden sehen und von niemandem gesehen werden. Die Königin ihrerseits lebt im Innern des Stocks, von Bienen umgeben. Fliegt sie aus, so tut sie es beim Schwärmen, also mit der Absicht, ihren Bienenvater böswillig zu verlassen; oder aber in einer der dringendsten Herzensangelegenheiten, nämlich sich zu vermählen, wobei begreiflicherweise der Vater Imker keine Berücksichtigung finden kann. Es bleiben für unsere Betrachtung demnach diejenigen Bienen, welche man vorzugsweise so zu benennen pflegt, also die Arbeitsbienen, noch übrig. Solch eine Arbeitsbiene ist ein merkwürdig in sich verschlossenes, auf ganz bestimmte Tätigkeiten erpichtes Geschöpf. Geschlechtslos, ohne eigentliche Leidenschaft, tut sie ihre Pflicht mit einer Ausdauer, mit einer fatalistischen Todesverachtung, als ob sie dazu beeidigt wäre. Sie bedient die Königin, sie stellt die Wachen, sie mißt und mauert die wunderbaren Polygone und Weiselwiegen, sie kocht den Kinderbrei für die heranwachsende Brut, sie lüftet die Gemächer, fegt den Kehricht vor die Tür und begräbt die Toten. - Das wären ihre häuslichen Geschäfte. - Aber sie hat auch das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten. - Schau sie nur an, wie sie am sonnigen Morgen vor dem Flugloche erscheint, sich die Augen ausreibt, die Handschuhe anzieht und dann im Zickzack davonsaust auf den gelben Raps der Domäne, die duftende Linde des Schloßparkes oder die weite rötliche Heide, - wie sie dann zurückkehrt mit dem schweren Honigkruge, dem wohlgefüllten Brotkorbe, um sie auszuleeren in die gemeinsamen Zellenmagazine des Staates; und das fort und fort, vom frühen Morgen bis zum Untergange der Sonne. Diese unausgesetzte Tätigkeit führt sie in den meisten Fällen einem frühzeitigen Tode entgegen. Die Flügel nutzen sich ab, die Kräfte erschlaffen; Meisen, Schwalben, Hornissen und sonstige Wegelagerer stellen ihnen nach; der Sturm und der Regen schlägt sie nieder, und der verräterische Spiegel des Stromes lockt sie in die Tiefe. So wird die Sommerbiene, wie Dzierzon uns bewiesen, etwa sechs Wochen alt. - Von der Winterbiene kann aber hier natürlich gar nicht die Rede sein, da sie, von jedem Außenverkehr zurückgezogen, nur der stillen Häuslichkeit sich widmet. - Wo würde nun wohl die Flugbiene die Zeit hernehmen, auch noch den guten Bienenvater mit einer besonderen Aufmerksamkeit zu beehren? Freilich! Diejenigen Arbeitsbienen, welche gerade auf Posten stehen, werden es gewiß nicht unterlassen, den Herrn Imker etwas näher zu fixieren. Aber wenn es erlaubt ist, sich in die Anschauungsweise eines Insekts zu versetzen und anzunehmen, daß es, wie wir, den Maßstab seiner eigenen Größe anlegt, so möchte in den Augen einer Biene der genannte Herr etwa wie ein bedrohlich dunkler Riese erscheinen, mit listig funkelnden Augen und in eine blaue Dampfwolke gehüllt, welche die Sonne verfinstert. Also nicht sehr liebenswürdig. Übrigens frage ich jeden braven Imker auf sein Gewissen, ob er in derartigen Momenten der Annäherung und Aufmerksamkeit jemals bei der betreffenden Biene eine freundschaftliche Zuneigung oder Bekanntschaft, wie sie die angeregte Frage zu involvieren scheint, beobachtet hat oder voraussetzen konnte. Ich glaube nicht, daß er Ja! sagen oder gar die erwähnte blaue Dampfwolke wird wegleugnen wollen. Gut! - wird unser fragender Bienenfreund sagen - Gut! aber der geehrte Bienenvater wird doch nicht immer nur so dastehen; er wird doch wenigstens im Frühling unter die Körbe schauen, er wird, wenn er Dzierzonkästen hat, hie und da das ganze Ding auseinandernehmen; er wird Ableger machen - kurzum! - in jeder Beziehung nähere Bekanntschaft anzuknüpfen suchen. - Ganz recht, mein Freund! werde ich sagen. Aber leider muß ich gestehen, daß wir Imker in solchen Augenblicken, wo wir mit unseren Bienen wirklich handgemein werden, von der angestaunten Heldenhöhe unserer Imkercourage gar bedenklich herniedersteigen. Die meisten von uns pflegen dann selten anders zu erscheinen, als im allertiefsten Inkognito. Gewappnet mit schönen warmen Fausthandschuhen, das teure Haupt sorgsam vermummt in die Bienenkappe, würden sie im Karneval von ihren besten Freunden schwerlich erkannt werden; wieviel weniger von den Bienen. Und auch selbst unsere kühneren Geister werden es sodann kaum verschmähen, den Bienen einen derartigen Tabaksrauch in Nase und Augen zu blasen, daß ihnen Hören und Sehen vergeht. Es ist unglaublich, wieviel Zigarren der Mensch rauchen oder wie oft er seine Pfeife stopfen muß, wenn er Ableger macht; und da nun Konsum und Geld in gleichem Verhältnis stehen, der verständige Mann aber nicht immer in der Lage ist, sich die beste Qualität zu akquirieren, so ist es begreiflich, daß, abgesehen von andern Gründen, durch derartige Räucherungen die Sympathie der Bienen wohl schwerlich zu gewinnen ist. Aber gesetzt den Fall, wir dürften der übrigens löblichen Biene eine so bedeutende Intelligenz zugestehen, daß sie ihre Lage und ihr Verhältnis zu ihrem Herrn in gehörigem Umfange übersehen könnte, so würde sie sich vermutlich gegen den von der Menschenwelt oktroyierten Namen des Bienenvaters gar höflichst zu verwahren suchen. Was tut denn auch dieser sogenannte Bienenvater in den meisten Fällen eigentlich, um sich diesen so wohllautenden, ehrenwerten Namen zu verdienen?! Er schaut eben der ganzen Geschichte recht gemütlich zu, wartet bis der Herbst kommt, kauft sich den verruchten, mörderischen Schwefel, verpitschiert die Fluglöcher und räuchert, wie der alte Pelissier die Beduinen, das ganze, gute, brave, arbeitsame Völklein so lange, bis es tot ist. Dann hängt er sich an die Presse, drückt und siedet, macht sich sodann flugs auf die Sohlen, verkauft Honig und Wachs für schweres Geld und freut sich, als wenn er den Lork am Stricke hätte. - Das wäre der Körbler. - Aber der Kästler ist auch nicht viel besser. - Da wählt er sich im Herbst seine Opfer aus, nimmt ihnen die Königin nebst allem Hab und Gut, und, nachdem er den Bienen ihr kümmerliches Bündel geschnürt, gibt er ihnen den Bettelstab in die Hand: Da! Nun geht und sucht euer Brot vor fremder Leute Türen! Kurzum! Wir Imker sind, aufrichtig gesagt, eigentlich die allergrößten Honigdiebe unter der Sonne; ein Name, bei dem uns die Bienen auch jedenfalls rufen würden, wenn sie nur könnten. Zum Schlusse will ich nicht versäumen, jener zu Anfang erwähnten rührenden Sage Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, jener Sage, daß dem hingeschiedenen Bienenvater die getreuen Bienen, gewissermaßen in untröstlicher Anhänglichkeit an den hochverehrten Freund, recht baldigst nachzufolgen pflegen. Dieser alten, weitverbreiteten Sage liegt jedenfalls was Wahres zum Grunde, und wäre es gar nicht uninteressant, wenn man einige derartige Fälle konstatieren könnte. Es würde sich sodann vermutlich das überraschende Resultat herausstellen, daß diese Todesfälle samt und sonders in die Zeit des Frühjahrs fallen; daß aber von all den betreffenden Imkern die Geschichte etwa folgendes zu vermelden hätte: Sie winterten im Herbst lauter schwache Stöcke ein; sie kriegten Angst, als der Frühling herannahte; sie gingen hinaus um zu füttern; sie hatten sich aber unvorsichtigerweise nicht warm angezogen, obschon ein kühler Ostwind wehte; infolgedessen zogen sie sich einen Katarrh zu, woraus eine Lungenentzündung entstand, welche den Tod zur Folge hatte. Die Bienen aber, als die würdigen Väter mit ihren Futtertrögen nicht wiederkamen, verfielen in Purganz und Hungersnot und folgten ihrem Herrn und Meister. Demnach und nach allem diesen müssen wir die zarte, wohlgemeinte Frage: Nicht wahr, die Bienen kennen ihren Herrn? am Ende wohl mit Nein! beantworten. Unser ganzes schönes Renommee, mit unsern Bienen in einem gegenseitigen freundschaftlichen Verhältnisse zu leben, wozu die Bienen ihrerseits weder Zeit, Gelegenheit, noch triftige Gründe haben, beschränkt sich eben auf einige Schliche und Kniffe, ein ruhiges, gesetztes, würdevolles Benehmen, wodurch wir der Kreatur zu imponieren und sie zu behandeln wissen. Dies darf der Wahrheit zu Ehren nicht verschwiegen werden, obschon dadurch unsere sonst allbekannte Liebenswürdigkeit nach der Seite der Bienen hin einen empfindlichen Stoß erleidet. Der wahre Imker ist der platonische »Philosoph auf dem Throne«. - Er sagt mit dem großen Politiker der Gegenwart: »Die Immen müssen bedenken, daß sie unter einem absoluten Regiment stehen«; und darum singen wir mit Sarastro in der Zauberflöte:
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Unser Interesse an den Bienen(Juni 1867) Wir leben in den Tagen des Materialismus. - Der lustige blaue Dampf - vor Zeiten nur als heiteres Wolkengebilde am Himmel ziehend - aus der friedlichen Pfeife sich kräuselnd, oder aus knisterndem Reisig quellend, um das Auge der Jungfrau Köchin mit schmerzlichen Tränen zu füllen - der Opferdampf, das Symbol der emporstrebenden Andacht - der Göttermantel - der vielgestaltige Freund unserer Phantasie - er ist zum Sklaven geworden. In Büchsen eingezwängt, schleppt er uns ewig Rastlose mit unwilligem Grunzen von Ort zu Ort. Er webt, er spinnt, er drischt für uns. Aktien! Aktien! so geht es von Mund zu Munde. - Immerhin! - Wir aber als harmlose Biederleute sitzen rauchend im traulichen Dämmerstübchen, schauen den freien Spielen des Dampfes zu und kosen von unseren Bienen. Wie kommt's denn nur, daß diese unscheinbaren Tierchen unser Interesse so sehr in Anspruch nehmen? Kopf, Herz und Magen und der äußere Repräsentant des letzteren, der ideale Inbegriff aller Ergötzlichkeiten, der Geldbeutel, schwingen sich, wie immer so auch hier, im lustigen Wechselreigen. Sehr verdrießlich mag wohl derjenige unserer Vorfahren über das Ungeziefer geschimpft haben, der zuerst unversehens in den Urwäldern einem Bienenneste zu nahe trat; aber wir trauen seinen intellektuellen Fähigkeiten, seiner urwüchsigen Pfiffigkeit hoffentlich nicht zu viel zu, wenn wir annehmen, daß er dem eigentlichen Sachverhalte baldigst auf die Spur geraten. Furchtsam hinter einem Baum versteckt, hat er vielleicht seinem haarigen Waldbruder, dem Bären, zugeschaut, welcher, besser bewandert in diesen Dingen, den süßen Inhalt des Honigstamms mit behaglichem Brummen sich zu Gemüte führte. Es läßt sich annehmen, daß der Bär, von seinem Frühstücke zurückkehrend, den listig lauschenden Zweihänder gar wohl bemerkt und, einen Konkurrenten witternd, ein recht verdrießlich Gesicht geschnitten habe; worauf denn auch die uralte poetische Strophe:
ohne allen Zweifel zurückzudeuten ist. Unser geehrter Vorfahr wird sodann ohne Verzug sich ermannt, den Honig verkostet und approbiert, den Baumstumpf aber abgesägt und, in mißtrauischem Hinblick auf den gefräßigen Bären, ganz in der Nähe seiner heimatlichen Hütte aufgestellt haben. Sicher hatte unser Freund auch schon Familie; der Honig fand Beifall, der Bedarf ward größer, und nach Verlauf einer nicht geraumen Zeit zierte wahrscheinlich eine hübsche Reihe von Klotzbeuten sein Gehöfte. Hier hätten wir nun den ersten regelrechten Imker, den Stammvater unserer ehrenwerten Zunft, die nun in vollem Glanze über alle deutschen Gaue sich verbreitet hat. Das ehemalige Königreich Hannover zählt allein 300000 Standstöcke (siehe Kleine, Die Biene und ihre Zucht), welche ein Grundkapital von 1500000 Taler mit 100 Prozent, oder 30000000 Taler mit 5 Prozent Zinsen repräsentieren. Nehmen wir nun bescheidentlich an, daß jeder Mutterstock zwei Schwärme gibt und jeder Schwarm 15 Pfund Honig, so liefern jene 300000 Standstöcke jährlich 9000000 Pfund Honig. Eine 10 Zoll breite und 2 Zoll hohe Stäbchenwabe enthält aber 1 Pfund Honig, und Hannover zählt etwa 2000000 Einwohner. Wollen wir nun einmal freigebig sein und all diese Süßigkeiten unter die Bewohner des Landes verteilen, so können wir männiglich eine recht hübsche anständige Wabe von mehr als 8 Zoll Länge und 10 Zoll Breite in die Hand geben, wozu wir denn auch freundschaftlichst besten Appetit wünschen. Das wäre nun freilich ein hübscher Ertrag, wenn nur das ewig unersättliche Menschenherz jemals zufriedengestellt werden könnte. Seitdem Hantelmanns Berichte aus Brasilien in der Bienenzeitung gestanden, blicken die sehnsüchtigen Augen der Imker nach dem blütenreichen Süden Amerikas hinüber. Es ist auch gar zu verlockend, sich in Gedanken mit seinem Bienenstande unter die nektarvollen Blumengirlanden des brasilianischen Urwaldes zu versetzen, wo ein stets blühender Sommer die Bienen in steigender geometrischer Progression zu einer mehr als fünfzigfachen Vermehrung anreizt; oder von einer Imkerkolonie zu träumen, deren überschwänglicher Gewinn an Honig, an Ort und Stelle zu künstlichen Weinen verwendet, sodann in Schiffe verladen und stromabwärts gleitend, in die großen Straßen des Handels münden würde. Selbst Meister Dzierzon, wie wir hören, hat sich vor Zeiten verführerischen Bildern dahingegeben, bis ihn die Stiche der venezianischen Mücken aus der Sippe der Moskitos wieder auf heimatliche Gedanken brachten. Viel mehr aber als der Geldbeutel ist es das Interesse des Kopfes, was den eigentlichen Bienenfreund an seine Lieblinge gefesselt hält. Die Muße, das Freiwerden des Verstandes aus dem Dienste der alltäglichen Bedürfnisse, eröffnet ihm die Bahnen der Wissenschaft, der Analogien und des sinnreichen Experiments. Voll Rührung und Bewunderung folgt er den scharfsinnigen Forschungen des blinden Huber, der trotz seiner Blindheit tiefer sah als Bonnet, wenn er auch das Kardinalproblem der Apistik noch nicht zu lösen vermochte, welches erst Dzierzon gelang, dessen technisches Talent den praktisch beweglichen Wabenbau erfand, mit dessen Hilfe sein geniales Aperçu zu jener überraschenden Hypothese der Parthenogenesis hindurchzudringen vermochte, die den Schleier gelüftet hat. Man müßte sich wundern, daß dazumalen den denkenden Imkern nicht allsobald die Schuppen von den Augen fielen, wenn es nicht aus moralischen Gründen ebenso erklärlich wäre, wie das Gebaren der Männer der Wissenschaft, die sich anfangs unter mitleidigem Achselzucken zur Seite wandten; wofür es denn dem einen von ihnen passierte, daß ihm der andere in der letzten Bestätigung dieser schönen Entdeckung zuvorkam. Pastor Kleine war der erste unter den Imkern, der formgewandt und ausgerüstet mit den Waffen der Wissenschaft sofort an Dzierzons Seite in die Schranken trat. Baron v. Berlepsch, dem es im Lager der Alten allmählich unheimlich werden mochte, trat durch ein kühnes Manöver unter die aufgepflanzten Fahnen seiner Gegner. Manch wackrer Streiter folgte nach. Und nun beginnt in der Bienenzeitung, sowohl auf theoretischem wie auf praktischem Gebiete, jener denkwürdige Kampf, dessen dramatische Lebendigkeit den Leser noch heute zu spannen vermag; während seine Resultate es sind, auf welche wir apistischen Epigonen fast unser sämtliches Können und Wissen gründen. Wenn wir nun auch die Ehre des Sieges entbehren, so dürfen wir doch seine Früchte genießen, seine Lehren voll Dankbarkeit in Anwendung bringen. Wir trösten uns mit dem Gedanken, daß wenigstens die alljährlich wiederkehrenden Freuden und Genüsse des Herzens, die uns die Bienen gewähren, eines jeden ungeteiltes Eigentum verbleiben. Sinnig vertieft, steht der Bienenfreund inmitten seiner Scharen und läßt mit harmlosem Stolze die furchtsame Welt an sich vorüberziehen. Er sieht mit Befriedigung unter seinen Augen die wohlgeordneten Staaten aufblühen, in denen Haupt und Glieder, durch innige Bande vereint, in schöner Harmonie zusammenwirken. - Wie der Kopf sich bestrebt, seine mannigfaltigen Begriffe in einem einzigen Prinzip zur Ruhe zu bringen, so betrachtet und genießt ein wahrer Imker Wind, Regen und Sonnenschein, das Aufblühen der Jahreszeiten und ihr Verwelken unter dem gemeinsamen Gesichtspunkte seiner Bienen. Eben darin, in dem ungleich fortschreitenden Jahre, findet er eine beweglich sprudelnde Quelle des Vergnügens, einen immer neuen Reiz zu Experimenten und Beobachtungen, eine Spannung des Interesses, die durch das Interregnum des Winters bis aufs höchste gesteigert wird; so daß ihn sein »ewig blühender« Kollege im amerikanischen Süden um diese Mannigfaltigkeit wohl schließlich beneiden dürfte. Nichts, mein ich, kann auch eines deutschen Imkers Herz so sehr bewegen, wie der andrängende Frühling seiner Heimat, wenn vieltausend Blüten ihre Schänken und Brotläden auftun, die durstigen Immlein zu erquicken; wenn wir nach den Donnern der Wetternacht durch den Garten ins frisch aufatmende Feld zu unsern kleinen goldgereiften Herzensfreunden hinauswandern, die schon emsig von Blüte zu Blüte schweben; oder wenn wir heiter grübelnd vor den Stöcken sitzend ihren jugendlichen Spielen zuschauen. Ich muß gestehen, daß ich dann neben den vortrefflichen Kästen auch gern einen alten malerischen Strohkorb sehe. Er kommt mir immer vor, wie ein altes, würdiges Menschenhaupt, wo die Gedanken ein- und ausfliegen. Bald spielen sie gemütlich vor, wie am heiteren Morgen bei Pfeife und Mokka; bald sitzen sie behaglich brummend an der Stirn in traulicher Dämmerstunde; bald fliegen sie emsig ab und zu im Sonnenglanze des vollen Tages und suchen und sammeln, teils in Blüten, teils aber auch in den Häuptern der Herrn Nachbarn, und legen ihre Schätze dann nieder in die goldnen Gefäße der Erinnerung. Wie bös wird so ein Kopf, wenn man nur ein wenig daran rüttelt und rührt, mit welchem Stolze saust und braust es drin; und doch - wenn der Herbst kommt, so muß er sich vielleicht ganz demütig bescheidentlich als Bettelschwarm vor die Tore des Himmels setzen. - Das wäre nun ein ganz respektabler Vergleich, wenn er nicht hinkte; denn leider ist bei vielen unserer Köpfe das Verhältnis umgekehrt wie beim Bienenkorbe: Das Stroh ist drinnen und die Insekten sitzen draußen. So sitzt nun der heitere Bienenzüchter stundenlang vor den vielgeliebten Bienen, rauchend und grübelnd, über vieles im klaren, über manches im dunkeln; der Bau, die Brut- und Geschlechtsverhältnisse sind ihm durch Lehre und Anschauung bekannt genug; aber gewisse absonderliche Dinge, wie die willkürliche Eierlage der Königin, die Anlage der Diagnose bei den Arbeitsbienen und ihr demgemäßes Handeln, alles das, was er im Gefühl seiner Menschenwürde Instinkt zu nennen pflegt, wird seinem Kopfe wohl so lange anstößig bleiben, bis er, in sein eignes Herz vertieft, sich entschließen kann, den kleinen, aber rechtmäßigen Anteil des gemeinsamen Erbes seinen bescheidenen Brüdern nicht länger vorzuenthalten. Er wird dann auch in innerster Seele die Quelle finden, aus der sein Interesse an der Natur, also auch seine Liebe zu den Bienen, hervorströmt; er wird sich das Gefühl der innigen, alles umschlingenden Sympathie zum Bewußtsein bringen, die nur in voller Einheit, in einer gemeinsamen Wurzelverwandtschaft aller Dinge ihren letzten Grund haben kann. |
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Erstellt von Jochen Schöpflin
Zuletzt aktualisiert am Sonntag, 7. August 2005