Wilhelm Busch

Die fromme Helene

Viertes Kapitel

DER FROSCH

Der Franz, ein Schüler hochgelehrt,
Macht sich gar bald beliebt und wert.
So hat er einstens in der Nacht
Beifolgendes Gedicht gemacht:

Als ich so von ungefähr
Durch den Wald spazierte,
Kam ein bunter Vogel, der
Pfiff und quinquilierte.

Was der bunte Vogel pfiff,
Fühle und begreif' ich:
Liebe ist der Inbegriff,
Auf das andre pfeif' ich.

Er schenkt's Helenen, die darob
Gar hocherfreut und voller Lob.

Und Franz war wirklich angenehm,
Teils dieserhalb, teils außerdem.

Wenn in der Küche oder Kammer
Ein Nagel fehlt - Franz holt den Hammer!

Wenn man den Kellerraum betritt,
Wo's öd und dunkel - Franz geht mit!

Wenn man nach dem Gemüse sah
In Feld und Garten - Franz ist da! -

Oft ist zum Beispiel an den Stangen
Die Bohne schwierig zu erlangen.
Franz aber faßt die Leiter an,
Daß Lenchen ja nicht fallen kann.
Und ist sie dann da oben fertig -
Franz ist zur Hilfe gegenwärtig.

Kurzum! Es sei nun, was es sei -
Der Vetter Franz ist gern dabei.

Indessen ganz insonderheit
Ist er voll Scherz und Lustbarkeit.

Schau, schau! Da schlupft und hupft im Grün
Ein Frosch herum! - Gleich hat er ihn!
Und setzt ihn heimlich nackt und bloß
In Nolten seine Tobaksdos'.
Wie nun der sanfte Onkel Nolte
Sich eine Prise schöpfen wollte -
Hucks da! Mit einem Satze saß
Der Frosch an Nolten seiner Nas'.
Platsch! Springt er in die Tasse gar,
Worin noch schöner Kaffee war.
Schlupp! Sitzt er in der Butterbemme
Ein kleines Weilchen in der Klemme.
Putsch!! - Ach, der Todesschreck ist groß!
Er hupft in Tante ihren Schoß.
Der Onkel ruft und zieht die Schelle:
»He, Hannchen, Hannchen, komme schnelle!«
Und Hannchen ohne Furcht und Bangen
Entfernt das Scheusal mit der Zangen.
Nun kehrt die Tante auch zum Glück
Ins selbstbewußte Sein zurück.

Wie hat Helene da gelacht,
Als Vetter Franz den Scherz gemacht!

Eins aber war von ihm nicht schön:
Man sah ihn oft bei Hannchen stehn!
Doch jeder Jüngling hat wohl mal
'n Hang fürs Küchenpersonal,
Und sündhaft ist der Mensch im ganzen!
Wie betet Lenchen da für Franzen!!

Nur einer war, der heimlich grollte:
Das ist der ahnungslose Nolte.
Natürlich tut er dieses bloß
In Anbetracht der Tobaksdos'.
Er war auch wirklich voller Freud,
Als nun vorbei die Ferienzeit
Und Franz mit Schrecken wiederum
Zurück muß aufs Gymnasium.

Weiter mit dem 5. Kapitel

Übersicht
-1-  -2-  -3-  -4-  -5-  -6-  -7-  -8-  -9-  -10-
-11-  -12-  -13-  -14-  -15-  -16-  -17-
Schluss

Erstellt von Jochen Schöpflin
Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, 17. August 2005